Kirchentellinsfurt · Gemeinsames Musizieren
Sechsjährige als Musik-Trio: Drei kleine Akkordinis
Sybille Kuhn von der Kirchentellinsfurter Musikschule hat mit Sechsjährigen ein Akkordeon-Trio gegründet.
04.01.2021
Von Amelie Riessen
Bloßes Tastendrücken, stumpfes Notenspielen, wenig Eigenmotivation und Drill der Erwachsenen beim Üben: all dies ist der jungen Akkordeongruppe „Akkordinis“ unter der Leitung von Sybille Kuhn fremd. Stattdessen setzt die Akkordeonlehrerin auf spielerische Lernmethoden und eine spaßige Atmosphäre.
Die Idee zur Gründung einer Akkordeongruppe für kleine Kinder gehe zunächst auf Kuhns langjährige Leidenschaft für das Akkordeon zurück, sagt sie. Schon während ihres Musikstudiums habe sie sich am meisten neben dem Klavier und der Flöte für das Akkordeon begeistern können. Dabei hätten es ihr besonders die Komplexität des Instruments und die Ganzkörpererfahrung des Spiels angetan: So wird das Blasinstrument aufgrund der Komplexität gerne als Tasteninstrument verkannt.
Denn beim Akkordeon müssen sowohl die Tasten und Knöpfe bedient als auch ein Balg zur Tonerzeugung betätigt werden. Der körperliche Einsatz, der dabei für die Betätigung des Balgs aufgebrachtwerden muss, trage zu der erwähnten Ganzkörpererfahrung des Spiels bei, so Kuhn. Zusätzlich würde die Körpernähe des Instruments eine innige und enge Verbindung herbeiführen, die den Reiz des Musizierens mitbeeinflusst.
Kuhn bedauert jedoch, dass das Blasinstrument häufig nur mit Volksmusik in Verbindung gebracht wird. Sie erlebe oftmals überraschte Reaktionen auf ihr Akkordeonspiel im Orchester, da ihren Mitmusikern das Potential, der Tonumfang und die Vielseitigkeit des Akkordeons noch nicht bekannt seien. Folglich erlebe sie heute ein „Revival an Zuspruch“, der es ihr schließlich ermöglichte, die „Akkordinis“ zu gründen.
Große Eigenmotivation
Denn herkömmliche Akkordeons sind für Kinder zu groß. Erst vor zwei Jahren erschien aufgrund der steigenden Nachfrage das Hohner XS Akkordeon. Diese neue Entwicklung machte es schließlich möglich, die Gründung einer Akkordeongruppe für Kinder in Erwägung zu ziehen.
Ein Problem stellten jedoch zunächst noch die hohen Kosten des speziellen Instruments dar. Aufgrund der Bereitschaft der Musikschule, die Instrumente anzuschaffen und sie als Leihgabe zur Verfügung zu stellen, ließ sich das Problem beheben.
So hatte Kuhn schließlich Anfang des Jahres sowohl die Instrumente als auch ein Unterrichtskonzept zusammen. Doch auch drei Sechsjährige Schüler standen schon in den Startlöchern, um mit dem Akkordeonunterricht zu beginnen.
Allerdings kam die Pandemie dazwischen und zwang die Musikschule dazu, die „Akkordinis“ erst im Herbst starten zu lassen. Bis dahin konnte die Musikschule Kirchentellinsfurt jedoch Hygienekonzepte ausarbeiten, die ein coronakonformes gemeinsames Musizieren sowohl in Präsens als auch Online ermöglichen. Dementsprechend ist die Unterrichtssituation derzeit noch alles andere als normal. Trotzdem seien sowohl Kuhn als auch ihre drei Schüler froh, dass sie durch den Sonderstatus einer Bildungseinrichtung überhaupt zusammen kreativ sein können.
Die drei Sechsjährigen bringen sehr viel Eigenmotivation in den Unterricht mit, so die Musiklehrerin. Dieser Enthusiasmus hänge nicht zuletzt damit zusammen, dass ihre Schüler sie schon lange auch aus der musikalischen Früherziehung kennen.
Mitbedingt wird diese Motivation der Kinder jedoch auch durch Kuhns Lehransatz. Der will Lernen und Spielen nicht strikt voneinander trennen, sondern sie in einen Einklang bringen. Somit werde die verspielte Natur eines Kindes nicht unterdrückt, sondern gezielt genutzt, um etwas Kreatives zu erlernen, so Kuhn.
Im Fokus des Unterrichts stehe ein „gesamtheitliches Erfahren der Klangentstehung“, so Kuhn: Die Sechsjährigen sollen dementsprechend ihr Instrument zunächst erforschen und mit der Klangbandbreite des Instruments experimentieren. Anschließend werden musikalische Grundlagen über das Vor- und Nachmachen ins Bewusstsein gerufen und trainiert. Durch das Erfinden von kleinen Klanggeschichten entsteht schließlich ein Gefühl für Musik und für das Instrument.
Mit „bloßem Tastendrücken“ hätte dies nichts zu tun, so Kuhn. Diese Art zu Unterrichten fordere ihr zufolge jedoch viel Flexibilität und Einfühlungsvermögen in die jeweilige Situation der Schüler, da nicht immer das gewünschte Lernfenster offen sei. Glücklicherweise gäbe es jedoch einen ganzen methodischen Baukasten, der es bei Offenheit und Wachsamkeit ermögliche, ein kreatives Moment zusammen mit den Kindern zu erschaffen.
So erzählt David, ein Mitglied der „Akkordinis“, dass es ihm besonders gefällt, gruselige Töne auf dem Akkordeon zu spielen, da sie eine Stimmung wie in einem Vampirfilm herbeiführen würden.
Für die Zukunft wünscht sich Kuhn, dass ihre Schüler „eine Heimat in der Musik“ finden. Denn ähnlich wie beim Umgang mit dem Corona-Virus biete das Akkordeon die Möglichkeit, sich selber besser kennen zu lernen und sich auf das Bedeutungsvolle zurückzubesinnen. Für diese individuellen Erkenntnisse eine passende Ausdrucksform und somit eine „Selbstverständlichkeit im Musizieren“ zu entdecken, das erhofft sich Kuhn für ihre jungen Schüler.